Die sportliche Leiterin Anne-Kathrine Kremer kann seit Januar auf die tatkräftige Unterstützung von Harald Haneder zurückgreifen. Der 56-jährige gebürtige Bayer, der zuvor die Frauen- und Mädchenfußball des TSV Emmelshausen gründete, etablierte und leitete, wird sich künftig mit seinem Knowhow auf der Ebene „Sportliche Leitung“ mit einbringen. Wir haben uns mal mit dem IT-Systemkaufmann und Verbandstrainer der Frauen Auswahlmannschaft über dessen Ziele und Herangehensweise unterhalten.
Hallo Harald, es liegt eine turbulente Anfangsphase hinter dir. Die erste Mannschaft ist in Abstiegsgefahr, eine gescheiterte Vorstandswahl und nun die wohl noch länger fortwährende Coronakrise. Hast du es schon bereut, deinen Posten als Sportlicher Leiter beim SC 13 angetreten zu haben?
Harald Haneder:
Herausforderungen habe ich noch nie bereut, insbesondere wenn man sich diese selbst „ausgesucht“ hat. Wir haben hier beim SC13 eine hervorragende Basis. Diese muss nur wieder „aufgeweckt“ werden.
Unabhängig der Tabellensituation planen wir für 2020/21, nicht zuletzt wegen der aktuellen positiven Entwicklung, ganz klar mit der Regionalliga! Dies wird auch in den Gesprächen mit den bisherigen und neuen Spielerinnen entsprechend kommuniziert. Die Mannschaft selbst, das Trainerteam sowie der Vorstand geben das auch her – und der SC13 gehört mit seiner Mannschaft nicht in eine niedrigere Klasse, sondern empfiehlt sich wieder für Höheres. Nicht sofort, aber wenn man sich Ziele setzt, muss man entsprechend planen, um diese dann auch umzusetzen.
Wie kam es, dass du im Januar zum Kurstadtklub kamst?
Harald Haneder:
Ich kenne den Verein seit 2008. Im Rahmen der Gründung des TSV Emmelshausen Frauen- und Mädchenfußball hatten der damalige SC 13-Präsident Bernd Stemmeler und ich eine Kooperation vereinbart. Wir hatten zusammen dann schon einige Berührungspunkte, wie die beiden sehr erfolgreichen Schnuppertage, Turniere, die Touren nach Spanien und gemeinsame Auftritte der beiden Vereine.
Ich wurde dann in 2018 von der damaligen sportlichen Leiterin Silke Kolbeck auf eine Tätigkeit als Trainer der zweiten Mannschaft angesprochen, was zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht realisierbar war. Saskia Oebel-Noack hatte mich, nachdem sie wusste, dass ich beim TSV als Trainer und Abteilungsleiter aufgehört hatte, im November 2019 nochmals angesprochen, ob ich nicht Interesse hätte, mich beim SC13 zu engagieren.
Was waren deine ersten Eindrücke vom Team und dem Gesamtverein?
Harald Haneder:
Wie gesagt: Den Verein und das Umfeld kenne ich seit 2008 und hatte so die Gelegenheit, das Vereinsgeschehen mit etwas Abstand betrachten zu können.
Wir müssen uns stabil aufstellen, den Verein nach außen wieder als „DEN“ Frauen- und Mädchenfußballverein interessant machen. Gegenüber den Spielerinnen, aber auch gegenüber den Sponsoren. Und gegenüber unseren Fans, die ich in solcher Intensivität und Ehrlichkeit so noch nicht kennengelernt hatte. Wie diese in guten und schlechten Zeiten hinter dem Verein stehen, nötigt mir Respekt ab! Es sind Kleinigkeiten, wie zum Beispiel, dass unsere Spielerinnen mich als Zuschauer bei den Spielen immer begrüßt haben. Eine kleine, einfache Sache, die aber den familiären Charakter eines Vereins aufzeigt, in dem man ehrlich und respektvoll miteinander umgeht. Auch wenn es mal „nicht rund“ läuft – aber das gehört auch dazu.
Welche Rahmenbedingungen hast du beim SC 13 angetroffen?
Harald Haneder:
Eine hervorragende Jugendarbeit. Top ausgebildete und engagierte Trainer, die genau wissen was sie tun haben, sowie Spielerinnen, die alle top Typen sind und mit viel Engagement ihrem Hobby nachgehen. Aber auch die Anlagen mit Kunstrasen und dem Stadion – da ist schon eine tolle Basis vorhanden. Im Sponsoring und in der Außenwirkung müssen wir uns wieder besser aufstellen.
Bis jetzt nahm dich das Tagesgeschäft sehr stark in Anspruch. Wie sieht es konzeptionell und strategisch aus? Wo soll der Weg des SC 13 nach einer hoffentlich möglichst kurzen Corona-Unterbrechung hinführen?
Harald Haneder:
Es gibt aus meiner Sicht einiges zu tun! Wir müssen raus aus dem Trott und dem gefühlten „Verwaltungs- bzw. dem Wohlfühlmodus.“ Wir müssen untereinander viel mehr kommunizieren und agieren. Da sehe ich den neuen Vorstand gut aufgestellt.
Wir haben hier eine wahnsinnig qualitative gute Jugendarbeit. Es wäre fahrlässig, wenn wir diesen Mädels nicht weitere Perspektiven aufzeigen könnten. Wir werden ihnen die Chance geben, künftig höherklassig zu spielen. Und damit meine ich langfristig nicht nur die Regionalliga, auch wenn die fußballerisch der 2. Bundesliga schon nahe kommt.
Wir werden uns konsolidieren, in der Regionalliga stabilisieren und dann gezielt nach Plan weiterarbeiten. Dazu gehört auch die Wiedereinführung einer 2. Frauenmannschaft, verbunden mit einem möglichst schnellen Aufstieg in die Rheinlandliga. Nicht alle Spielerinnen werden den Sprung in die Regionalligamannschaft auf dem direkten Weg schaffen. Wir müssen unseren U17-Spielerinnen, den Rekonvaleszenten und weiteren Spielerinnen die Möglichkeit geben: a) zu spielen und nicht wechseln zu müssen, nur weil es keine adäquate Mannschaft nach der U17 gibt und b) sie an die 1. Mannschaft heranzuführen. Mit Hinblick auf die künftige Entwicklung im Frauen- und Mädchenfußball, werden wir uns nicht nur qualitativ gut, sondern auch breiter als bisher aufstellen.
Wir müssen die erfolgreiche Jugendarbeit nutzen, um davon im Seniorenbereich profitieren zu können. Unsere Juniorinnen sind zusammen mit den erfahrenen Spielerinnen eine sehr gesunde Mischung zur Bewältigung der kommenden Aufgaben und Ziele! Ich bin überzeugt, dass der SC 13 das aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung sehr gut umsetzen kann.
Wie geht man beim SC 13 mit der aktuellen Situation um? Glaubst du, dass die Saison noch zu Ende gespielt werden kann?
Harald Haneder:
Durch meine Arbeit im Fußballverband Rheinland bekomme ja das eine oder andere mit. Ich persönlich vermute, dass die Saison leider abgebrochen werden muss. Zu viele Kompromisse mussten inzwischen eingegangen werden. Ein geordneter Spielbetrieb ist aus meiner Sicht fast nicht mehr möglich. Die Spielerinnen in den Vereinen haben fast alle sehr weite Anfahrten zum Training und zu den Spielen. Bei den Jüngeren müssen die Eltern auch nochmal zusätzlich ran. Und dann noch regelmäßig „englische Wochen“ um den Spielplan zu halten – wie soll das zeitlich gehen? Und dann gibt es ja auch noch eine Ausbildung, Beruf und Familie. Da kann aus Spaß am Fußball auch schnell Verdruss werden! Darauf müssen wir entsprechend Rücksicht nehmen.
Wie soll die Spielzeit deiner Meinung nach gewertet werden.
Harald Haneder:
Ein schwieriges Thema. Egal wie man es macht – es wird Verlierer geben! Ich würde drei Möglichkeiten in Betracht ziehen:
- Wiedereinsetzung in den Stand zu Saisonbeginn. Die Saison wird abgebrochen und annulliert. Mit Beginn der Saison 2020/21 wird mit den gleichen Staffeleinteilungen wie in der Runde 2019/20 begonnen.
- Die Saison wird abgebrochen. Der aktuelle Tabellenstand wird zur Rate gezogen. Die Tabellenführer dürfen aufsteigen. Es muss keiner absteigen. In der nächsten Saison wird wieder normal gespielt – mit entsprechend mehr Absteigern.
- Kein Abbruch und die Saison wird bspw. bis zum 31. Juli unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben (Wechselfristen usw.) verlängert. So könnte die Saison zu Ende gespielt werden und die tatsächlichen Auf- und Absteiger ausgespielt werden. Wobei es hier zu Terminkollisionen kommen wird (Ferien, Schulwechsel, Pokalspiele usw.).
Der Verein hat sich unter der Führung von Jugendleiterin Saskia Oebel-Noack zu einer Top-Adresse in der Jugendarbeit entwickelt. Wird man einige der außergewöhnlich talentierten Kickerinnen des älteren Jahrgangs über die Saison hinaus an den Verein binden können?
Harald Haneder:
Die U17 Spielerinnen unter der Regie von Trainerin Denise Blumenroth leisten Großartiges! Ebenso alle anderen Nachwuchsmannschaften. Im Moment führen wir viele persönliche Gespräche mit den Spielerinnen, um ihnen aufzuzeigen, was sie zusammen mit dem SC13 erreichen können und wohin der Weg gehen könnte.
Der U17-Bereich ist in Sachen Fitness, Taktik und körperlichen Anforderungen nicht direkt vergleichbar mit dem Frauenfußball. Was in der U17 so ganz einfach klappt, funktioniert auf einmal bei den Frauen nicht mehr. Dazu kommen auch noch äußere Einflüsse wie Schule, Beruf und Ausbildung. Wir versuchen den Mädels aufzuzeigen, dass der SC13 die Möglichkeit besitzt, dieses individuell für jede Spielerin zu bewerten und zu koordinieren. Es macht bei einigen Spielerinnen einfach keinen Sinn, wenn sie mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Bundesligen auf der Bank sitzen oder in deren Reserveteams eingesetzt werden, während sie bei uns in der Regionalliga dauerhaft spielen und Erfahrung sammeln können – und sich so selbst das Ziel Bundesliga erarbeiten können!
Das ist wie Schwimmen lernen und du sitzt nur auf dem Beckenrand. Du siehst zwar alles – lernst aber nicht das Schwimmen!
Sicherlich gibt es die eine oder andere Spielerin, deren künftigen Weg wir nicht begrenzen dürfen. Förderung bedeutet auch, diesen talentierten Spielerinnen den nächsten Schritt zu ermöglichen. Und dafür haben wir ja auch unsere Verbindungen zu dem einen oder anderen Bundesligisten, um den optimalen Weg für die Mädels zu finden.
Du bist ein Kenner der Szene. Was kannst du generell zum Frauen- und Mädchenfußball sagen?
Harald Haneder:
Seit Jahren weise ich zu jeder Gelegenheit darauf hin, dass es nicht an dem so gerne angeführten demografische Wandel liegt, dass es immer weniger Vereine und Spielerinnen gibt. Denn von bundesweit 8.600 Frauen- und Mädchenmannschaften im Jahr 2010 gibt es fünf Jahre später nur noch 6.700 Teams. Ein Rückgang von 23% bei den Mädchen. Bei den Jungs sind es nur 9%.
Der Trend in den letzten fünf Jahren zeigt durchschnittlich 20% weniger Anmeldungen. Es geht also weiter abwärts…
Dies bedeutet weniger Spielerinnen, weniger Vereine, dafür aber weite Fahrten zum Training und zu den Spielen. Der Verband wiederum ist gezwungen überkreisliche Staffeln zu bilden, um überhaupt einen Spielbetrieb zu ermöglichen. Dies wiederum führt zu weniger Qualität.
Umso wichtiger ist es für die Vereine zu erkennen, dass eine qualitative Ausbildung mehr Anstrengung, Aufwand und Kosten mit sich bringt, aber alle davon profitieren werden.
Vereine, die nicht ausbilden, werden sich aus dem Spielbetrieb verabschieden müssen. So erging es in der jüngeren Vergangenheit auch schon namenhaften Klubs. Es ist wichtig, den Spielerinnen einen kompletten und durchgängigen Weg vom Juniorinnen- bis in den Seniorinnenbereich aufzuzeigen. Das sollte eine qualitativ hochwertige Ausbildung und eine höherklassig spielende Frauenmannschaft umfassen.
Frauenfußball besitzt in Deutschland leider noch immer den Amateurstatus. Umso mehr geht es um den Spaß bei der „schönsten Nebensache der Welt“.