April 01 2021 0Comment

Ein Wandel zwischen den Welten?

Athletiktrainer Rainer Stein macht den Nachwuchs des Ahrweiler BC und des SC 13 Bad Neuenahr fit.
Zuletzt war aus aktuellem Anlass mal wieder die Frage nach dem Unterschied zwischen dem Frauen- und Männerfußball in den Fokus gerückt. Das Trainieren eines Frauenteams als Strafmaßnahme erhitzte doch so manche Gemüter. Einer, der den Unterschied aus praxisnahen Erkenntnissen ganz gut beurteilen kann, ist Rainer Stein, der seit 2017 mit dem Schwerpunkt A- und B-Junioren als Athletiktrainer beim Ahrweiler BC tätig ist.
Seit Beginn der aktuell vor dem Abbruch stehenden Spielzeit ist Stein zusätzlich auch bei den Bundesliga U 17-Juniorinnen des SC 13 Bad Neuenahr in dieser Funktion tätig. Allerdings verlief der Start seines Engagements beim Kurstadtklub überraschend. Damit hatte Stein, der eine jahrzehntelange Erfahrung als Trainer und Sportlehrer aufweisen kann, nicht gerechnet. Im ersten Training zu Beginn der Sommervorbereitung testeten die Mädels erst mal die Autorität des routinierten Athletiktrainers. „Sie rannten nicht annähernd so schnell wie ich mir das bei Bundesligaspielerinnen vorgestellt hatte, waren bei Sprüngen – scheinbar – früh platt. Ich keilte zurück und fragte mit gespielt ernsthaftem Interesse, ob das Spielfeld im Mädchenfußball genauso groß sei wie bei den Jungen und ob ein Spiel wirklich genauso lang dauere“, erinnert sich Stein, der heute über diese Episode allerdings nur schmunzeln kann. Doch aller Anfang ist schwer und gerade mit Rückblick auf den zweiten Lockdown, weiß Stein von einer sehr effektiven „Fernbeziehung“ mit seinen Schützlingen zu berichten.
„Während des zweiten Lockdowns bewunderte ich die Disziplin der U17-Mädels. Penibel meldeten sie die Ergebnisse ihrer Trainingsbemühungen, schickten Screenshots ihrer drei Trainingseinheiten pro Woche, teilten mir per Whatsapp Belastungspuls und Erholungspuls zwecks Erfassung mit. Durch diese enge Zusammenarbeit war es mir möglich, vom allgemeinen Plan abweichende individuelle Trainingshinweise zu geben und vor allem immer wieder aufs Neue zu motivieren. Ein Teil der Spielerinnen, wie etwa Spielführerin Anga Bartzen, brachte sich proaktiv mit ein und gab Rückmeldungen inklusive praxisorientierte Änderungs- und Verbesserungsvorschläge.
Die Jungs der A- und B-Junioren des Ahrweiler BC erwiesen sich in ihrer Gesamtheit nicht ganz so konsequent wie ihre weiblichen Pendants. Dafür gab es einige mit besonders großem Engagement, die wie etwa A-Junioren-Mittelfeldspieler Tim Hemmer einen individuellen Trainingsplan erbaten oder sich zum Einzeltraining mit Rainer Stein verabredeten. So ergab sich die Möglichkeit zu ausreichenden Zeitfenstern, um bspw. die Sprintfähigkeit individuell zu fördern.
Die Arbeit miteinander, das Training, ist bei den weiblichen und männlichen Nachwuchs grundsätzlich dieselbe. Bei beiden hat der Athletiktrainer die Aufgabe, die motorischen Grundeigenschaften Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Beweglichkeit und Koordination zu verbessern. Allerdings sind die Schwerpunkte anders verteilt. Mädchen sind koordinativ im Schnitt deutlich besser, Jungen punkten dagegen bei der Rumpfkraft. Beiden fehlt es sehr häufig an Beinkraft. Das viele Rumsitzen vor Computer und Playstation hat signifikante Spuren hinterlassen.
In seiner vierjährigen Tätigkeit als Athletiktrainer durfte Rainer Stein immer wieder die Faszination des Mannschaftssports erleben. Aber eben auch das Defizit, dass das Individuum weniger Beachtung findet als bei einer Individualsportart. Der Cheftrainer muss sich 18-22 Spielern gleichzeitig widmen. Die Trainingszeit ist knapp bemessen, nur selten kann er auf die Spieler individuell eingehen. Hier kann der Athletiktrainer unterstützend wirken. Da er immer wieder mal in Kleingruppen und manchmal auch nur mit einzelnen Spielern arbeitet, ergeben sich vielfältige Gelegenheiten zuzuhören, sich zu unterhalten, zu erfahren, „wo der Schuh drückt“. Schließlich können Probleme im Umfeld, in Schule und Arbeit, Familie, Freundeskreis die Leistung eines Sportlers wesentlich beeinträchtigen. „Rainer, kannst du mir sagen, warum ich am Sonntag nicht in der Startaufstellung stand?“ heißt es dann etwa. Hier gilt es zu erklären, zu vermitteln und um Verständnis für beide Seiten zu werben. Der Athletiktrainer hat das Glück, nicht wie der Cheftrainer Woche für Woche einige Spieler enttäuschen zu müssen, weil sie eben nicht spielen. Damit fällt dem Athletiktrainer eine wesentliche psychologische Einwirkungsmöglichkeit und damit Verantwortung zu.
Stein konnte keine grundsätzlichen Unterschiede zwischen Fußballerinnen und Fußballern in ihrer Einstellung zum Sport und zur sportlichen Leistung feststellen. „Was sie verbindet, ist eindeutig der Ball. Mit derselben Leidenschaft jagen sie hinter ihm her, mit derselben Ernsthaftigkeit und dem demselben Ehrgeiz betreiben sie ihr Hobby und streben danach, ihre Technik, Taktik und Athletik zu verbessern und mit ihrer Mannschaft gemeinsam zu siegen“, so das Resümee von Rainer Stein, der nichts von einem Wandel zwischen den Welten wissen möchte: „Sowohl bei der Arbeit mit den Mädels als auch bei den Jungs bewege ich mich innerhalb einer Welt.“

Foto:
Rainer Stein (Mitte) mit zwei seiner „Musterschüler“:  Anga Bartzen,  Spielführerin der U 17-Bundesligamannschaft des SC 13 Bad Neuenahr  und Tim Hemmer (Ahrweiler BC). Beide spielen im zentralen Mittelfeld ihrer Mannschaften.

gkoelzer